Bußgeld fürs Misgendern? Was wirklich im Selbstbestimmungsgesetz steht

Bußgeld fürs Misgendern? Was wirklich im Selbstbestimmungsgesetz steht

Das Selbstbestimmungsgesetz ist verabschiedet worden und Populisten sehen mal wieder den Untergang des Abendlandes hereingebrochen. Die Debatten verfehlen jedoch das Thema meilenweit und verlieren sich in primitiven Schlammschlachten voller Klischees. Worum geht es wirklich?

Von Bent-Erik Scholz
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Transsexualität existiert. Natürlich geht es hier um einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, aber eine Demokratie zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie auch die kleinsten Randgruppen nicht zurücklässt. Die Gesellschaft ist aus Randgruppen zusammengesetzt, und auch wenn Mehrheiten regieren, darf dies nicht verwechselt werden mit einer Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Ein anderes Beispiel: Es gibt ,,nur" sehr wenige Menschen, die durch Nebenwirkungen der Corona-Impfung langfristig schwerwiegend zu Schaden gekommen sind, und trotzdem würde niemand behaupten, aufgrund ihrer geringen Menge seien ihre Leiden nicht der Rede wert. Transsexualität geht mit einem Gefühl von Dysphorie einher - dem Gefühl, im eigenen Körper nicht daheim zu sein, das biologische Geschlecht abzulehnen, sich damit nicht identifizieren zu können.

Bisher wurden die Belange von Menschen, die ihren Geschlechtereintrag ändern wollten, über das Transsexuellengesetz (TSG) geregelt. Wer bis jetzt in seinem Ausweis als ,,männlich" und nicht mehr als ,,weiblich" klassifiziert werden wollte, musste sich einem langwierigen Verfahren aussetzen, sowie zwei psychologische Begutachtungen auf eigene Kosten durchführen lassen, in denen zum Beispiel das Masturbationsverhalten abgefragt wurde, um eine Chance auf einen gerichtlichen Beschluss zu haben. Betroffene beschrieben diesen Prozess in Teilen als Demütigung, selbst das Bundesverfassungsgericht begriff die Bedingungen für diese spezielle Änderung des Personenstandes als Verstoß gegen Grundrechte. Schon allein deswegen war eine neue Regelung zwangsläufig.

Was ändert sich nun mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz? Wer seinen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen ändern möchte, muss ab dem 1. November kein gerichtliches Verfahren mehr durchlaufen, sondern kann die Änderungen drei Monate im Voraus im Standesamt anmelden und dazu eine ,,Erklärung mit Selbstvergewisserung" abgeben, in welcher man darlegt, dass der gewählte Eintrag am Besten zur eigenen Identität passe und man sich des Gewichts seiner Entscheidung bewusst sei. Im Grunde genommen wie bei einer standesamtlichen Hochzeit, für die man auch kein psychologisches Gutachten vorlegen muss. Bei Minderjährigen bedarf es der Zustimmung durch die Sorgeberechtigten. Nach der Änderung des Geschlechtseintrags gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr, bevor eine weitere Änderung beantragt werden darf.

Es gibt hier durchaus fundierte Kritik zu äußern, insbesondere in der Frage nach dem Umgang mit Minderjährigen - Erlaubnis der Eltern hin oder her, handelt es sich hierbei nicht vielleicht doch um eine Entscheidung, die man erst in volljährigem Alter treffen sollte, oder ist das ,,halb so wild", wenn es nur um einen im Zweifelsfall wieder änderbaren Eintrag beim Standesamt geht? Wie problematisch könnte der elterliche Einfluss auf die Entscheidung des Kindes sein? Trefflichen Diskussionsstoff gäbe es allenthalben, wichtige Fragen, die wir uns stellen müssen - was ist Geschlecht, was ist ,,sex" und ,,gender" abseits der rein biologischen Faktoren, denn schon seit Jahrhunderten werden Geschlechterunterschiede auch unabhängig von Chromosomen oder Geschlechtsorganen zivilisatorisch aufgeladen. Diese Aufladung kann sich auch immer wieder ändern, bedenken wir zum Beispiel, dass der High Heel ursprünglich als Schuhwerk für den Mann erfunden wurde und bis ins letzte Jahrhundert rosa als maskuline Farbe galt. Was also ist Trend und was genuine Entwicklung, die wir über die Jahrzehnte hinweg nachvollziehen können? All dies wären wichtige und spannende Debatten angesichts des neuen Gesetzes. Stattdessen reagiert der Affekt, und der ist zumeist laut und schlecht informiert.

Schauen wir uns mal die beliebtesten Argumente der vehementen Gegner dieses Gesetzes an. Da heißt es nun also, ,,perverse Männer" könnten das neue Gesetz ausnutzen, um sich Zugang zu Schutzräumen von Frauen zu verschaffen. Beispielsweise könnten sie im Fitnessstudio eine Damenumkleide aufsuchen, um die dort anwesenden Frauen zu belästigen, und dann argumentieren, dass sie sich als Frau fühlten. Natürlich ist es ausgesprochen sinnvoll und löblich, sich Sorgen um das Wohl von Frauen zu machen. Allerdings war es für einen Mann auch schon vor dem Selbstbestimmungsrecht möglich, in eine Frauenumkleide einzudringen. Als ich das letzte Mal im Fitnessstudio war, fand dort keine Ausweiskontrolle statt, in der die Besucher ihr Geschlecht nachweisen mussten. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass nun, da es das neue Gesetz gibt, besagte ,,perverse Männer" plötzlich Lust bekommen, bürokratischen Aufwand zu betreiben, um ein Verbrechen zu begehen, anstatt sie, wie bisher, einfach direkt zu begehen.

Die Kritik an diesem Gesetz bezieht sich erstaunlicherweise so gut wie nie auf diejenigen, die tatsächlich davon betroffen sind: die Männer, die sich in den dystopischen Erzählungen der Gegner dieses Gesetzes auf missbräuchliche Art Zutritt zu Frauenräumen verschaffen wollen, sind ja eben nicht transsexuell, sondern tun laut diesen Erzählungen nur so. Aber selbst, wenn wir davon ausgehen, dass ein Mann mit einer Missbrauchsintention seinen Geschlechtseintrag ändern lassen würde, um in eine Frauenumkleide zu gehen, so hätte nach § 6 Absatz 2 das Fitnessstudio, genau wie bisher, weiterhin das Recht, diesen Mann achtkantig rauszuschmeißen: ,,Betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen bleiben die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt." Ergo: Nach Hausrecht darf auch unabhängig vom Geschlechtereintrag rausgeschmissen werden, wer sich danebenbenimmt.

Okay, und wenn jetzt also gegen einen perversen Mann, der in der Frauenumkleide andere belästigt hat, Anzeige erstattet wird und er ins Gefängnis muss, kann er sich dann einfach in den Frauenknast verlegen lassen? ,,Die Unterbringung von Strafgefangenen muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren, das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden. Das Grundgesetz und die Fürsorgepflicht der Anstalt verlangen vielmehr, bei der Unterbringung im Strafvollzug die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen zu berücksichtigen." (vgl. BT-Drucksache 20/9049, S. 44)

Ein großer Kritikpunkt an dem Gesetz liegt in der Behauptung, wer absichtlich oder fahrlässig die abgelegte Geschlechtsangabe oder den alten Namen eines Transmenschen nutze, könne zu einem Bußgeld verdonnert werden. Dies behauptete nicht zuletzt Maximilian Krah mehrfach lautstark. Vielfach ist diese Behauptung unreflektiert wiedergekäut worden. Ein Blick ins tatsächliche Gesetz spricht jedoch eine andere Sprache: hier geht es um das Offenbarungsverbot, geregelt in § 13, das weitestgehend auf § 5 des Transsexuellengesetzes basiert. Ergo: Es hat sich auf dieser Ebene eben genau nichts geändert.

Was das Offenbarungsverbot nämlich vorsieht, ist kein fahrlässiges Misgendering, sondern die Ausforschung und Offenlegung früherer Geschlechtsidentitäten, mit der die betroffene Person nicht einverstanden ist. Wenn bekannt ist, dass eine Person ihren Geschlechtseintrag oder Vornamen geändert hat, greift auch das Offenbarungsverbot nicht: Man kann ja nichts offenbaren, was jeder schon weiß. Und übrigens: Wer den sogenannten ,,Deadname" einer Person wiederholt benutzt und damit Geringschätzung und Respektlosigkeit gegenüber der Person zum Ausdruck bringt, hat sich bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes letzte Woche strafbar gemacht. Das galt damals wie heute nämlich als Belästigung.

Das Offenbarungsverbot beinhaltet aber vor allem explizit, dass ein Bußgeld erst dann fällig wird, wenn Personen durch die unerwünschte Offenlegung der abgelegten Identität geschadet wird: ,,Der Tatbestand setzt voraus, dass infolge der Offenbarung eine Schädigung der materiellen oder ideellen Interessen der betroffenen Person tatsächlich eingetreten ist. Neben Vermögensschäden werden also auch ideelle Schäden erfasst, so zum Beispiel bei einer öffentlichen Bloßstellung der geschützten Person (,,Rufmord")." (vgl. BT-Drucksache 20/9049, S. 57) - Das bedeutet: Wer beabsichtigt, jemandem durch die Offenlegung seiner abgelegten Geschlechtsidentität zu schaden, kann einem Bußgeld entgehen, wenn diese Schädigung nicht reell eintritt. Wer also aus Versehen eine Person mit ihrem alten Namen oder Geschlecht anspricht, macht sich nicht strafbar.

Das Netz tobt über dieses Gesetz in einer Weise, die dem Inhalt in keiner Weise gerecht wird. Denn weder liefert das Selbstbestimmungsgesetz einen Freifahrtschein für potenzielle Sexualstraftäter, sich Zugang zu Schutzräumen des anderen Geschlechts zu verschaffen, noch wird jemandem, dem versehentlich ein falscher Name rausrutscht, ein Bußgeld in fünfstelliger Höhe in den Hals gedrückt. Selbst Sportwettbewerbe bleiben vom Gesetz unberührt - ein weiterer beliebter Strohmann. ,,Dann kann sich ja jeder Schluffi einfach als Frau eintragen lassen und dann die ganzen Boxkämpfe gewinnen!" Was sagt § 6 Absatz 3? ,,Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden."

All diese Debatten haben ihren Platz. Es ist nicht illegitim, sich Gedanken und auch Sorgen darüber zu machen, wie wir in einer Welt, die auf einer Einteilung in zwei Geschlechter basiert, damit umgehen, wenn Leute sich dieser Binarität entziehen. Und es ist auch richtig, den Missbrauch hierbei einzukalkulieren. Aber ist es nicht interessant, dass es bei der Kritik so gut wie nie um jene Menschen geht, für die dieses Gesetz eigentlich verabschiedet wird: die Transsexuellen, die keine Muße mehr haben, sich vor Gericht rechtfertigen zu müssen, wenn sie ihrer eigenen Identität näherkommen wollen?

Stattdessen geht es erstaunlicherweise in den Horrorszenarien, die von erbitterten Feinden des Gesetzes aufgeblasen werden, fast immer nur um Männer, die sich nicht unter Kontrolle haben, die das Gesetz als Schlupfloch ausnutzen, um andere belästigen zu wollen - was, angesichts des ja trotzdem noch vorherrschenden Bürokratieaufwands, unwahrscheinlich ist. Hier jedoch offenbart sich jedoch auch eine überraschende Männerfeindlichkeit, denn hieraus spricht ein großes Misstrauen dem Maskulinen und seinen Trieben gegenüber. In den Beispielen der Gender-Gegner geht es nie um Frauen, die in Herrenumkleiden eindringen - vielleicht, weil sie glauben, dass den primitiven, dumpfen Typen das eventuell sogar gefallen würde? Es geht auch nie um Transmänner wie den als Frau geborenen Chris Mosier, der nach seiner Transition bei der US-amerikanischen Nationalmeisterschaft im Duathlon 2017 in seiner Altersgruppe den 2. Platz belegte.

Aber selbst wenn solche Geschichten einen Platz in diesen hochideologischen Debatten fänden, in denen sich primär Wut über eine befürchtete Bevormundung entlädt, so würden auch sie den tatsächlichen Inhalt des Gesetzes nur bedingt tangieren. Dieses nämlich hat mit den Schauermärchen, die seit Jahren darüber erzählt werden, wenig zu tun. Es ist bemerkenswert, wie lautstark hier um den Schutz von Frauen gebangt wird, während dieser teils von denselben Akteuren andernorts völlig ignoriert wird.

Hieraus spricht vor allem eine Überforderung mit sich schnell ändernden Zeiten. Zugegeben, dass der öffentliche Diskurs über die Belange von Transmenschen so intensiv geführt wird, ist in der Tat eine relativ neue Entwicklung. Lange Zeit war auch dieses Thema massiv tabubehaftet. Andererseits ist es nicht zwangsläufig der Modetrend, für den es manche gern halten, angesichts der Tatsache, dass es das Transsexuellengesetz schon seit den Achtzigerjahren gab. Die latente Abneigung gegen das Selbstbestimmungsgesetz basiert auf ähnlichen Impulsen wie die Abneigung gegen das Gendern: es handelt sich für viele um etwas Ungewohntes, wenn nicht gar Umständliches - und das ist auch okay, man bekommt ja eben kein Bußgeld aufgebrummt, wenn man eine Transfrau als Mann anspricht. Sämtliche Versuche, das Gendern zur Pflicht zu machen, zum Beispiel an Universitäten, sind von Gerichten in Windeseile abgeschmettert worden.

Niemand ist dazu gezwungen, dieses Gesetz in den Himmel zu loben, oder kritiklos alles zu akzeptieren, was im Zuge dieser Debatten passiert. Es gibt insbesondere mit Hinblick auf Schutzräume und Leistungsbewertungen, wie erwähnt, sehr legitime Fragen, für die wir kollektiv eine Antwort finden müssen, um Missbrauch vorzubeugen. Dieser antizipierte Missbrauch ist aber nicht die Schuld der Betroffenen, und er legitimiert auch nicht den grenzenlosen Zynismus, der dieser Debatte vielerorts zugrunde liegt. Vor allem aber ist es faktisch falsch, zu behaupten, dass durch dieses neue Gesetz das Tor zur Apokalypse geöffnet wird - wie dargestellt hat sich angesichts der bereits existierenden Gesetzeslage nicht allzu viel getan. Denn, um dies nochmal in Erinnerung zu rufen: der Kern dieses Gesetzes ist eine Reaktion darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags, das sich nahezu ausschließlich auf behördliche Vorgänge unmittelbar auswirkt, für nicht grundrechtskonform erachtete.

17.04.24
*Bent-Erik Scholz arbeitet als freier Mitarbeiter für den RBB
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The same faces always follow me on the streets of Berlin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann in the Christian Lindner memorial black and white; Sahra Wagenknecht, who has only mastered a single facial expression in photos for fifteen years and is not running at all in the European elections; or Katharina Barley, who is apparently so unknown as the top candidate for the European elections that Olaf Scholz is standing by her side on the posters, so that the passing mob at least develops a rough idea of what this mysterious Ms. Barley is all about.

However, it's also exciting who doesn't advertise with the faces of their candidates: the CDU knows full well that it can't win much ground with the likeness of Ursula von der Leyen. The Christian Democrats are focusing on their core competence: airy casings that somehow sound delicious, the potato soup among the slogans, consisting of empty carbohydrates and still warm. "For a Germany in which we live well and happily" was the motto of the 2017 federal election. Today: "For a Europe that protects and benefits." Sexy.

First and foremost, we are dealing with great theater. The Germany in which we live so well and happily believes that its population has very little influence over their own interests. We are free to change staff every four years, although the overall shifts are rather manageable in most cases due to the five percent hurdle - much more than that is up for debate. Once they have made themselves comfortable in their seats, the politicians primarily do what they want. If they do nonsense, you have to wait until the next election to be able to sanction them for it. The population is only allowed to participate in the debate on Twitter or TikTok.

There are no means of driving out a politician who throws his principles and election promises overboard in a very short space of time - otherwise the Green faction in the Bundestag would be significantly smaller today. In addition, there is the planned electoral law reform to reduce the size of the Bundestag, which, however, primarily targets direct mandates from smaller parties. Here alone one could speak of a gross break with the will of the voters, after all, the common voter is not just there to shift percentages, but to make his or her voice heard.

The structures at the European level in particular are almost absurdly opaque. At five-year intervals, citizens are counted to cast a vote primarily in favor of leaving them alone for the next five years. There is a good tradition of deporting failed or simply annoying former federal politicians to Brussels in order to keep them busy there with twice the workload of meeting weeks and thus practically silence the local discourse. Meanwhile, the future of all of us is being decided in Europe - and we know next to nothing about it! Via text message, Ursula von der Leyen is costing taxpaying EU citizens billions and billions of euros for a vaccine that over time turned out to be significantly less effective than was initially assumed. A single company benefited greatly from the biggest crisis since the Second World War.

One hears again and again that the legislative periods, especially at the federal level, are too short to actually change anything. We should only elect the German Bundestag every five or even six years to give the poor politicians the time to implement their plans in peace. The logical error here is obvious: governments are completely free at any time to make future-oriented decisions, the benefits of which will only become apparent long after the current legislative period - but they consciously decide against it in order to promote populist fast food based on surveys. to pursue politics that are intended to maintain one's own power.

It is better to push the unpleasant things into the next legislature. After all, you want to decorate yourself with immediate, small successes. However, why this should be a problem for voters is completely unclear. Shouldn't we expect more from our elected representatives to get off their high horse and commit themselves to the German people instead of just keeping their own chair warm? Is it the voter's fault if Lauterbach pulls off a patchwork bureaucratic monster of cannabis legalization in order to be celebrated as a pioneer?

In his well-read pamphlet "Screw Selflove, Give Me Class War," the author Jean-Philippe Kindler describes our democracy as "capitalism with elections." So while the personnel changes, politicians, as soon as they get into positions of power, despite all the loud promises of unshakable ideals, end up serving the corporations. This is rarely as obvious as when the FDP leads the finance ministry. The AfD, which sells itself as social, also repeatedly talks about not wanting to tax wealthy people or companies more heavily under any circumstances. Commitment to the needs of the much-discussed (and rarely actually addressed) "little man" on the ass. In view of the draft law on the Promotion of Democracy Act, which, depending on its interpretation, can also be misused to stifle criticism of the government by citing a threat to the state. Imagine if such a law were in force under an AfD-led government.

Anyone who walks through the streets in Berlin is stared at by posters with slogans such as "Give Prosperity a Voice" (CDU), "Against Hatred and Incitement" or "For Moderation, Center and Peace" (both SPD) - absolutely meaningless turnip stew formulations - or: "Education: first line of defense of democracy." Of course a poster from the FDP, whose top candidate Marie-Agnes Strack-Zimmermann cannot deviate from the war rhetoric even when it comes to educating people to become politically informed, responsible citizens . But it is of course welcome that the FDP wants to work for better education, because things are extremely bad in Germany. There are even said to be well-known female politicians in government parties whose reading skills are apparently so limited that they consider Mother Courage to be a positive identification figure.

As I said, it is true that most governments achieve little that will change the world in the four years they are given. However, that doesn't mean you shouldn't try. Unfortunately, we are observing a completely discouraged government that is not providing any answers to pressing questions about the future. In a rule by the people, we would actually be counted on to assert our civic duty beyond the ballot box to vote on individuals. We have the instrument of the referendum for this purpose. But anyone who walks across the streets in Berlin and observes election posters cannot help but remember the last referendums here in this city:

On May 25, 2014, a referendum was held on the development of Tempelhofer Feld. The development of the popular park planned by the Senate should be prevented by the plebiscite. A majority voted for the referendum and thus for the preservation of Tempelhofer Feld as a local recreation area and historical site. There were last headlines about the planned development of Tempelhofer Feld in autumn 2023, so the referendum is up for discussion.

The referendum on the expropriation of the real estate group Deutsche Wohnen took place during the 2021 federal election. The aim was to break the dominance of corporations like Deutsche Wohnen in order to prevent rents from skyrocketing and to maintain Berlin as a reasonably affordable place to live. As a basic service, apartments should be rented out by the city at controlled prices so that there is no Darwinian struggle for the scarce living space. The referendum received widespread support from the electorate. It has not yet been implemented and is no longer even discussed.

The last Berlin plebiscite was "Berlin 2030 climate neutral". The aim was to formulate a law that would oblige Berlin to comply with certain emission saving measures. The initiators must also have been very aware that the feasibility was only moderately good; the idea was certainly not least to be able to hold the city accountable for past failures. But none of that matters, because the referendum was actively sabotaged by the city of Berlin by not holding it parallel to the repeat election in February 2023, but more than a month later, even though it would have been possible to hold it in February.

The reason that referendums are often combined with elections is that they can increase participation. The only time the German Michel tends not to go to his polling station is for a referendum. If the plebiscite is added when an election is coming up anyway, it will have a huge impact on the number of participants. Scheduling the referendum on the climate law for Berlin on a separate date inevitably meant that the necessary quota was not reached. Here the population was partially denied the opportunity to make their own voice audible in a simple and low-threshold manner.

When Hubert Aiwanger said that the people should "take back democracy," it was treated like a despicable threatening gesture given his unjustifiable missteps in his previous life. But we need to think seriously about the state of a democracy in which we give power to people who can then act with impunity against the will of the voters and even ignore it when it is officially stated. The idea of representative democracy is noble and shows a belief in the good in people, but does not take into account the corruptibility of politicians, which always has to be taken into account in capitalism. When Julia Klöckner, then Minister of Food, praises Nestlé, it should be clear to every responsible citizen that something is wrong here. Whose interests should be represented here?

It is only worth arguing about longer terms of office if at the same time it enables greater participation of the population in other democratic processes. Imagine if we were now tied to the traffic lights for a total of six years instead of four and were practically at its mercy for the entire period when it comes to potentially existential debates such as arms deliveries or military conscription. Stability in a democracy can only exist if the population actually trusts the government and can intervene when that trust wanes. When politicians no longer just use easily digestible phrases and populist theses for election campaign purposes, only to be unable to be warned to comply once they are elected. When corporations, lobby associations and shady interest groups are disempowered. If this succeeds, a government no longer has to be so afraid of the Internet that it would need a law to promote democracy.

05/06/24
*Bent-Erik Scholz works as a freelancer for RBB