Micky Maus trifft Adolf Hitler

Micky Maus trifft Adolf Hitler

Tucker Carlson hat der Welt ein historisches Interview geschenkt. In seinem zweistündigen Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin stellt er aber leider nicht nur viel zu wenige spannende Fragen, auch Putin redet sich in gewohnter Manier geschickt in Rage und manchmal sogar um den heißen Brei herum. Nicht besonders erkenntnisreich, aber sehenswert ist es auf jeden Fall.

Von Serdar Somuncu
Spoiler: Es ist nicht viel Neues dabei herumgekommen. Nach Putins chauvinistischer Diktion wäre alles, was eine historische Verbindung zueinander hat, Russisch spricht oder russisch denkt, auf ewig miteinander verbunden und es würde sämtlichen Invasoren der Welt das Recht geben, Überfälle als legitimen Rückgewinn eigener Territorien zu erklären.
Demzufolge wäre Deutschland wieder in den Grenzen von 1937 und das Osmanische Reich würde sich vom Balkan bis zum Kaukasus erstrecken. Vom Römischen Reich und den Persern ganz zu schweigen.
Schon der Beginn des Interviews zeigt auf, welche Gräben zwischen der oberflächlichen Bildung eines westlichen Journalisten, der auf einfache Fragen einfache Antworten erwartet und dem offensichtlich geschichtsbesessenen russischen Präsidenten klaffen.
Putin beginnt das Interview mit einer geschickten Gegenfrage: ,,Ist das eine Talkshow oder ein seriöses Interview?" und beide lachen. Was wäre der Unterschied, würde mir als direkte Gegenfrage einfallen, aber Putin interessiert das nicht. Er hat sich offensichtlich vorgenommen, seinen Gesprächspartner zu überrollen, wie seine Truppen die Ukraine. Klotzen statt kleckern. Und so sind wir mittendrin in einem historischen Vortrag über die glorreiche Geschichte Russlands, die im Grunde genommen nichts anderes ist, als eine putinsche Abwandlung von David gegen Goliath oder die Abenteuer des Robin Hood.
Carlson hört andächtig zu und lässt ihn gewähren. Fast eine halbe Stunde lang vergeht so in ellenlangen, selbstgerechten Suadas zur Rechtfertigung des ideologischen Irrsinns, getarnt als Aufklärung.
Vielleicht hätte ihn Carlson schon zu Beginn darauf hinweisen sollen, dass dieses ,,seriöse" Interview nach seinen Regeln funktioniert und nicht den Audienzen gleicht, die Putin sonst seinen Journalisten gewährt, dann wäre es sicher spannender gewesen. Aber ohnehin war dies erst der Beginn, eines eindrucksvollen Gesprächs, das mich immer wieder auf die Idee brachte, wie es wohl gewesen wäre, wenn Micky Maus seinerzeit Adolf Hitler interviewt hätte.

Interessanterweise gehen Putins weitere Ausführungen in belehrend elegischem Stil weiter über die Geschichte Russlands, bis hin zu den Krisen der näheren Vergangenheit, dem Jugoslawienkrieg und der deutschen Wiedervereinigung und hier beginnt Putin sich zum ersten Mal in Widersprüche zu verstricken. Zwar ist es richtig zu bemerken, dass die USA und der Westen immer wieder Absprachen, wie die Abkommen um Minsk I und II gebrochen und sie ins Gegenteil verkehrt haben, so zum Beispiel aber auch die anfängliche Unterstützung Serbiens im Jugoslawienkrieg und der anschließenden Bombardierung Belgrads, aber auch Russland hat immer wieder seine territorialen Ansprüche durchgesetzt, ohne Rücksicht auf internationale Befindlichkeiten, wie zum Beispiel bei der gescheiterten Invasion Afghanistans im Jahre 1979 oder der jahrelangen militärischen Unterstützung Syriens.
In Putins Darstellung ist Russland nicht der nach Expansion strebende Aggressor, sondern stets der friedliche Verteidiger der panrussischen Integrität. Und das ist wirklich, gemessen an dem Umfang seines historischen Faktenwissens, mehr als simpel verklärt und erstaunlich unwahr. Putins Denkfehler liegt vor allem darin, die Dinge zu durchschauen, aber daraus die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen. Er beschreibt auf der einen Seite die hinterhältige Taktik der USA und erklärt zugleich, weshalb er sie nachahmt und adaptiert. Letztendlich beklagt er so sein eigenes Versagen.

Erst als er in näheren Gegenwart landet, und es um die Ukraine und die Entwicklung der letzten Jahre geht, wird Putin konkret, und zum ersten Mal wirken seine Ausführungen authentisch. Es ist das Psychogramm eines gekränkten Charakters, den er hinter dem Stolz seiner Nation verbirgt. Er schildert, wie die Amerikaner sukzessive ihren Wirkungsbereich um Russland herum erweitert haben und erneut auch Absprachen gebrochen wurden. Er beschreibt es als 5 Konfliktherde, u.a. im Baltikum und im Kaukasus. Er verharmlost die repressive Doktrin der Sowjetunion und erklärt den Freiheitskampf der ehemaligen Sowjetrepubliken zum durch den Westen unterstützen Terrorismus. In seiner Ansicht geht es nur um die Destabilisierung Russlands und nicht um die Freiheit der Unterdrückten. Auch im Fall der Ukraine geht er nur bedingt auf die angebliche Installierung des Präsidenten Juschtschenko und der darauf folgenden Entwicklung um den Maidan an. Er beschriebt sie als illegitimen Eingriff des Westens in die interrussischen Angelegenheiten und er ignoriert schlicht und einfach den Freiheitswillen des ukrainischen Volkes. Aber auch hier verschweigt Putin die wahren Interessen Russlands, die nicht darin liegen, sich zu verteidigen und gegen eine Expansion der NATO zur Wehr zu setzen, sondern tatsächlich verfolgt Putin auch unübersehbar imperialistische Ziele, nämlich ein großes Russland in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion zu erhalten und damit unsichtbar Ansprüche zu stellen an seine ehemaligen Vasallenstaaten, Russland treu zu bleiben. Fast beiläufig erwähnt Putin seine Angst vor einer Öffnung der Grenzen und der Erweiterung einer Freihandelszone, die immer weiter in den Osten rückt und so zu einer bedrohlichen ökonomischen Konkurrenz zu dem mühsam aufgebauten Gas und Getreidemonopol der Russen werden könnte.
Leider hakt auch hier Tucker Carlson nur selten nach und lässt Putin gewähren. Putins Plädoyer für eine anachronistische Planideologie, als Gegenentwurf zur freien Marktwirtschaft, lässt er ungefragt durchgehen. Der Vortrag mutiert so zu seiner Art politischer Selbstdarstellung, in der Putin (zu) viel Platz eingeräumt wird, seine Theorien auszubreiten und schon angesichts der Fülle und Komplexität seiner Aussagen, beim Zuschauer eine inhaltliche Überforderung, ein gewisses Gefühl des Überdrusses zu erzeugen. Vielleicht, damit man aufgibt und ihm eher zustimmt, als danach zu suchen, wie man ihm widersprechen könnte?

Einzig Putins Ausführungen über den Neonazi Kult um Stepan Bandera und die popkulturähnliche Verehrung und Dauerpräsenz in westlichen Medien und Parlamenten des ukrainischen Präsidenten Selenskyj wirken plausibel. Zumal Selenskyj aufgrund seiner jüdischen Wurzeln auch eine besondere Befindlichkeit zu diesem Thema haben müsste und oft in den vergangenen Monaten wie ein Elefant in Porzellanladen auf der Suche nach Unterstützung, seltsame Allianzen eingegangen ist. Putin ist zu schlau, um dies durchgehen zu lassen. Carlson geht darauf gar nicht ein. Und deshalb hängt Putin sich weiter an diesem Punkt auf. Sein angeblicher Kampf gegen Naziideologie und die damit verbundene Begründung der Invasion der Ukraine wirkt nicht wirklich überzeugend. So scheint das permanente spitzbübische Schmunzeln Putins auch darauf hinzuweisen, dass er sich selbst dessen bewusst ist und die intellektuelle Unterlegenheit seines Gegenübers genüsslich in ausschweifenden Wortkaskaden zermalmt.
Einzig in einem etwas schneller getaktetem Schlagabtausch in der Mitte des Interviews gelingt es Putin auf die eigentlich These zu sprechen zu kommen, die sein Anliegen seine friedlichen Ansichten zu verdeutlichen etwas sichtbarer, aber deshalb nicht umso mehr glaubwürdiger machen. Sein lamentohaftes Whataboutisieren, bringt nicht den gewünschten Mehrwert einer Erklärung für das Irrationale an diesem Krieg. Putin begründet diese zwar mit den gebrochenen Schwüren seiner Verhandlungspartner, die Wahrheit aber liegt weit davon entfernt in seinen Machtansprüchen und Großmachtfantasien. Auch seine lapidare Antwort auf Carlsons Frage, ob er beabsichtige weitere Ziele, wie Polen oder das Baltikum anzugreifen, streift er mit einem ,,Warum sollten daran ein Interesse haben?" ab, obwohl sein Interesse daran, die Ukraine anzugreifen genauso unerklärlich gewesen sein könnte.
,,Wer hat Nordstream gesprengt?", ist wohl die markanteste Frage, die Carlson am Ende einer immer lockerer werdenden Atmosphäre zwischen beiden stellt, um zu erfahren, dass zunächst er selbst und dann korrekterweise der CIA es gewesen sein soll. Eine durchaus witzige Passage, die zum einen offenbart, wie klar Putin die Sache beurteilt und wie egal es ihm auf der anderen Seite ist, wie andere ihn dabei beurteilen. Es ist ein politisches Manifest, das Putin abliefert, bei dem klar ist, dass er neben der Enttäuschung der letzten Jahre auch eine Gelassenheit entwickelt hat, die seine Entschlossenheit zu handeln und die Verschlagenheit des Westens nicht mehr zu dulden, unterstreicht. Vielleicht ist es das, was die westliche Berichterstattung ,,Man kann nicht mit Putin verhandeln" nennt.
So wirkt auch der gesamte Rückschluss auf die Legitimation seines Krieges nicht wirklich konsistent. Carlson hat die entscheidende Frage eigentlich schon am Anfang gestellt. Warum fällt Ihnen all das erst jetzt ein? Aber Putin hat es geschickt umfahren und ihn durch seine Ausführungen eingelullt, sodass Carlson jetzt nur noch Punkt für Punkt abfragt und nicht mehr ins Detail geht. Das wird dem Gespräch nicht wirklich gerecht. Dann hätte Tucker Carslon sich darauf eingelassen und, wäre er vorbereitet darauf gewesen, dann hätte er vielleicht sogar ins Detail gehen können und ein mehrstündiges Gespräch über die Zusammenhänge führen können. Putins Erklärungen wären mehr gewesen, als nur eine Anklage, sondern sie wären die Offenlegung der strategischen Interessen des Westens gewesen. Carlson hätte damit mehr Punkte gewonnen, als durch die Einfalt seiner, zweifelsohne charmant vorgetragenen Fragen. Ein wenig mehr Populismus und weniger ideologischer Dogmatismus, hätten viele der über eine Milliarde Zuschauer auf der ganzen Welt bereitwillig angenommen, um die einseitige Berichterstattung der westlichen Kriegspropaganda als Lügenmaschinerie im eigenen Interesse zu entlarven.
So aber scheitert Tucker Carlson letztendlich an seiner eigenen Oberflächlichkeit und das erkennt Putin und überrennt ihn mit Details. In Putins Diktion ist Russland das ewige Opfer im Kampf gegen unsichtbare Mächte, die sich korrupt und unberechenbar verhalten. Dabei lässt er eine schonungslose Selbstreflexion außer Acht. Denn in Wirklichkeit ist Russland an den Konflikten dieser Welt immer schon beteiligt gewesen. Russland ist expansiv, idealistisch und genauso korrupt und hinterhältig, wie die Staaten, denen Putin Vorwürfe macht. Ob es in Syrien war, wo die Russen jahrelang mit Waffen unterstützt haben und Konflikte geführt haben oder im Iran. Ob es im kalten Krieg war oder in der Folge dessen in Konflikten in Südamerika oder Asien.
Der Minderwertigkeitskomplex, den Putin hier ausführlich ausbreitet, ist keine wirkliche Erklärung dafür, dass Russland das Recht haben dürfte, andere Staaten zu überfallen oder zu okkupieren. Und es ist schon gar nicht nachvollziehbar für jemanden, der behauptet, im Sinne des Guten zu agieren und dabei Schlechtes zu tun. Einzig die Tatsache, dass Tucker Carlson ihm die Gelegenheit gibt, diese Ausführungen zu machen, ist der große Mehrwert dieses Interviews. Man bekommt einen Einblick in die Gedankenstruktur Putins und gleichzeitig lernt man auch einiges über die Abläufe der Weltpolitik. Vieles ist dabei keine Überraschung. Dass die Amerikaner schon seit Jahrzehnten die Geschicke der Politik steuern, in dem sie Konflikte schüren und Konfliktparteien mit Waffen versorgen und dabei ihre Propaganda bemühen, um die Menschen auf ihre Seite zu ziehen, ist eine Binsenwahrheit. Vielleicht fehlt es aber dennoch an Kenntnis in der breiten Bevölkerung hierzulande, um zu durchschauen, dass auch wir Opfer dieser Propaganda sind, egal, woher sie kommt. Insofern lohnt es sich tatsächlich, dieses Gespräch genau zu verfolgen. Denn Putin spricht nicht nur aus dem Nähkästchen, sondern er verrät auch, welche Absprachen getroffen wurden, ohne dass sie in der Öffentlichkeit zur Debatte gestellt wurden. Ein entscheidender Punkt in diesem Interview ist die Frage Putins danach, ob die Amerikaner, die bei den Wahlen ihre Stimmen abgeben, wirklich die Politik wählen, die sie möchten. Oder ob Politik unabhängig von Wahlergebnissen geführt wird und im Grunde genommen nichts anderes ist, als die Interessensvertretung von Lobbys, denen es um ganz andere Ziele geht.
An mancher Stelle hätte man sich diesen philosophischen Diskurs gewünscht. Stattdessen bleibt das Gespräch lange Zeit auf einer belehrenden Ebene und Tucker Carlson wirkt über lange Strecken tatsächlich wie ein kleiner Schuljunge, der seinem Vater zuhört, wie er ihm die Welt erklärt.
Wenn es noch etwas gibt, was Putin gelernt haben sollte, trotz seiner außerordentlichen Klugheit, dann ist es, dass eben Demokratie anders funktioniert, als die einseitige Sichtweise auf die Geschehnisse in autoritären Systemen und dass sie manchmal nicht logisch ist und auch nicht sein muss, sondern dass die Entwicklung der Weltgeschichte auch immer geprägt ist von Ansprüchen und unsichtbaren Forderungen, von Widersprüchen und den Brüchen und dem Brechen von Absprachen.
Insofern ist Putin ein Illusionist im idealistischen Gewand. Für sein eigenes Volk mag das vielleicht richtig sein, solange es gut geht. Aber sollte sich dieser Krieg in seiner grausamen Seite gegen Russland wenden, dann wird man es Putin übel nehmen. Denn dann war er nicht der Verteidiger, sondern der Totengräber der russischen Nation und nichts und niemand wird ihn davor schützen, dafür Rechenschaft ablegen zu müssen, so sehr er das auch ideologisch begründen kann. Tucker Carlsons naiver Versuch, Putin zu entlarven, wirkt so, als würde man versuchen, einen modernen Computer mit einem Schraubendreher zu reparieren. Und er scheitert auf ganzer Linie. Auch wenn sein Auftreten smart und zuweilen sogar sympathisch wirkt. Putin kann das zu jederzeit parieren, und man spürt sogar regelrecht, wie er eine gewisse Lust dabei verspürt.
So kehrt man zurück zu der anfangs gestellten Frage, ob es ein Interview oder eine Show sei und schnell zeigt sich, dass auch Putin die Elemente des Showbusiness sehr gut versteht. Zunächst gibt er den souveränen Geschichtskenner, um später sich zum Opfer machen und dann seine Ansprüche als Täter zu kaschieren, alles zum Freiheitskampf der russischen Nation. Tucker Carlson hätte hier große Chancen gehabt, ihn in die Enge zu treiben, ihn zu entlarven und mit ihm in ein Konfliktgespräch zu gehen, welches gezeigt hätte, welche wahre Motivation Putin dazu treibt, sich zum Retter der Welt aufzuspielen. Putin wiederum hätte vielleicht sogar aufzeigen können, welche Hintergründe ihn dazu bringen, sich so zu verhalten und es wäre nicht klar gewesen, wer dabei besser abschneidet. All das wäre für uns als Zuschauer dankbarer und aufschlussreicher gewesen, als eben diese Plattform, auf der Putin sich 2 Stunden lang entfalten konnte, um seine Propaganda zu erläutern.
Am Ende des Spektakels muss ich an Donald Trump großkotzige Aussage denken, dass mit ihm der Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beendet wäre und ich muss innerlich schmunzeln. Vielleicht ist Trumps arrogante Selbstüberschätzung, gepaart mit seiner beharrlichen intellektuellen Inkompetenz wirklich das einzig adäquate Gegenmittel zu Putins komplexbehafteter Despotenschläue.


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14.02.24
*Serdar Somuncu ist Schauspieler und Regisseur
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The same faces always follow me on the streets of Berlin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann in the Christian Lindner memorial black and white; Sahra Wagenknecht, who has only mastered a single facial expression in photos for fifteen years and is not running at all in the European elections; or Katharina Barley, who is apparently so unknown as the top candidate for the European elections that Olaf Scholz is standing by her side on the posters, so that the passing mob at least develops a rough idea of what this mysterious Ms. Barley is all about.

However, it's also exciting who doesn't advertise with the faces of their candidates: the CDU knows full well that it can't win much ground with the likeness of Ursula von der Leyen. The Christian Democrats are focusing on their core competence: airy casings that somehow sound delicious, the potato soup among the slogans, consisting of empty carbohydrates and still warm. "For a Germany in which we live well and happily" was the motto of the 2017 federal election. Today: "For a Europe that protects and benefits." Sexy.

First and foremost, we are dealing with great theater. The Germany in which we live so well and happily believes that its population has very little influence over their own interests. We are free to change staff every four years, although the overall shifts are rather manageable in most cases due to the five percent hurdle - much more than that is up for debate. Once they have made themselves comfortable in their seats, the politicians primarily do what they want. If they do nonsense, you have to wait until the next election to be able to sanction them for it. The population is only allowed to participate in the debate on Twitter or TikTok.

There are no means of driving out a politician who throws his principles and election promises overboard in a very short space of time - otherwise the Green faction in the Bundestag would be significantly smaller today. In addition, there is the planned electoral law reform to reduce the size of the Bundestag, which, however, primarily targets direct mandates from smaller parties. Here alone one could speak of a gross break with the will of the voters, after all, the common voter is not just there to shift percentages, but to make his or her voice heard.

The structures at the European level in particular are almost absurdly opaque. At five-year intervals, citizens are counted to cast a vote primarily in favor of leaving them alone for the next five years. There is a good tradition of deporting failed or simply annoying former federal politicians to Brussels in order to keep them busy there with twice the workload of meeting weeks and thus practically silence the local discourse. Meanwhile, the future of all of us is being decided in Europe - and we know next to nothing about it! Via text message, Ursula von der Leyen is costing taxpaying EU citizens billions and billions of euros for a vaccine that over time turned out to be significantly less effective than was initially assumed. A single company benefited greatly from the biggest crisis since the Second World War.

One hears again and again that the legislative periods, especially at the federal level, are too short to actually change anything. We should only elect the German Bundestag every five or even six years to give the poor politicians the time to implement their plans in peace. The logical error here is obvious: governments are completely free at any time to make future-oriented decisions, the benefits of which will only become apparent long after the current legislative period - but they consciously decide against it in order to promote populist fast food based on surveys. to pursue politics that are intended to maintain one's own power.

It is better to push the unpleasant things into the next legislature. After all, you want to decorate yourself with immediate, small successes. However, why this should be a problem for voters is completely unclear. Shouldn't we expect more from our elected representatives to get off their high horse and commit themselves to the German people instead of just keeping their own chair warm? Is it the voter's fault if Lauterbach pulls off a patchwork bureaucratic monster of cannabis legalization in order to be celebrated as a pioneer?

In his well-read pamphlet "Screw Selflove, Give Me Class War," the author Jean-Philippe Kindler describes our democracy as "capitalism with elections." So while the personnel changes, politicians, as soon as they get into positions of power, despite all the loud promises of unshakable ideals, end up serving the corporations. This is rarely as obvious as when the FDP leads the finance ministry. The AfD, which sells itself as social, also repeatedly talks about not wanting to tax wealthy people or companies more heavily under any circumstances. Commitment to the needs of the much-discussed (and rarely actually addressed) "little man" on the ass. In view of the draft law on the Promotion of Democracy Act, which, depending on its interpretation, can also be misused to stifle criticism of the government by citing a threat to the state. Imagine if such a law were in force under an AfD-led government.

Anyone who walks through the streets in Berlin is stared at by posters with slogans such as "Give Prosperity a Voice" (CDU), "Against Hatred and Incitement" or "For Moderation, Center and Peace" (both SPD) - absolutely meaningless turnip stew formulations - or: "Education: first line of defense of democracy." Of course a poster from the FDP, whose top candidate Marie-Agnes Strack-Zimmermann cannot deviate from the war rhetoric even when it comes to educating people to become politically informed, responsible citizens . But it is of course welcome that the FDP wants to work for better education, because things are extremely bad in Germany. There are even said to be well-known female politicians in government parties whose reading skills are apparently so limited that they consider Mother Courage to be a positive identification figure.

As I said, it is true that most governments achieve little that will change the world in the four years they are given. However, that doesn't mean you shouldn't try. Unfortunately, we are observing a completely discouraged government that is not providing any answers to pressing questions about the future. In a rule by the people, we would actually be counted on to assert our civic duty beyond the ballot box to vote on individuals. We have the instrument of the referendum for this purpose. But anyone who walks across the streets in Berlin and observes election posters cannot help but remember the last referendums here in this city:

On May 25, 2014, a referendum was held on the development of Tempelhofer Feld. The development of the popular park planned by the Senate should be prevented by the plebiscite. A majority voted for the referendum and thus for the preservation of Tempelhofer Feld as a local recreation area and historical site. There were last headlines about the planned development of Tempelhofer Feld in autumn 2023, so the referendum is up for discussion.

The referendum on the expropriation of the real estate group Deutsche Wohnen took place during the 2021 federal election. The aim was to break the dominance of corporations like Deutsche Wohnen in order to prevent rents from skyrocketing and to maintain Berlin as a reasonably affordable place to live. As a basic service, apartments should be rented out by the city at controlled prices so that there is no Darwinian struggle for the scarce living space. The referendum received widespread support from the electorate. It has not yet been implemented and is no longer even discussed.

The last Berlin plebiscite was "Berlin 2030 climate neutral". The aim was to formulate a law that would oblige Berlin to comply with certain emission saving measures. The initiators must also have been very aware that the feasibility was only moderately good; the idea was certainly not least to be able to hold the city accountable for past failures. But none of that matters, because the referendum was actively sabotaged by the city of Berlin by not holding it parallel to the repeat election in February 2023, but more than a month later, even though it would have been possible to hold it in February.

The reason that referendums are often combined with elections is that they can increase participation. The only time the German Michel tends not to go to his polling station is for a referendum. If the plebiscite is added when an election is coming up anyway, it will have a huge impact on the number of participants. Scheduling the referendum on the climate law for Berlin on a separate date inevitably meant that the necessary quota was not reached. Here the population was partially denied the opportunity to make their own voice audible in a simple and low-threshold manner.

When Hubert Aiwanger said that the people should "take back democracy," it was treated like a despicable threatening gesture given his unjustifiable missteps in his previous life. But we need to think seriously about the state of a democracy in which we give power to people who can then act with impunity against the will of the voters and even ignore it when it is officially stated. The idea of representative democracy is noble and shows a belief in the good in people, but does not take into account the corruptibility of politicians, which always has to be taken into account in capitalism. When Julia Klöckner, then Minister of Food, praises Nestlé, it should be clear to every responsible citizen that something is wrong here. Whose interests should be represented here?

It is only worth arguing about longer terms of office if at the same time it enables greater participation of the population in other democratic processes. Imagine if we were now tied to the traffic lights for a total of six years instead of four and were practically at its mercy for the entire period when it comes to potentially existential debates such as arms deliveries or military conscription. Stability in a democracy can only exist if the population actually trusts the government and can intervene when that trust wanes. When politicians no longer just use easily digestible phrases and populist theses for election campaign purposes, only to be unable to be warned to comply once they are elected. When corporations, lobby associations and shady interest groups are disempowered. If this succeeds, a government no longer has to be so afraid of the Internet that it would need a law to promote democracy.

05/06/24
*Bent-Erik Scholz works as a freelancer for RBB