Kernkompetenz: Ich!

Kernkompetenz: Ich!

Politiker haben via Social Media vor einiger Zeit die direkte Ansprache ans Volk entdeckt. Aber selbst verwegene Recken benötigen noch einen Anlass. Was nach demokratischem Gewinn aussieht, entpuppt sich mitunter als schlichter Machtmissbrauch.
Kai Blasberg fragt sich, ob wir uns das gefallen lassen sollen.
Wenn Olaf Scholz in einem seiner von Ministerialbeamten betriebenen Videokanälen zu seinem Volk spricht, erwische ich mich oft beim abscannen der Bildoberfläche auf der Suche nach Hinweisen auf Manipulation. Ist es noch real, oder ist es schon KI von einem Satiriker? Allzu belanglos in Art und Inhalt, selbst für ihn.
Bei Markus Söder stellt sich die Frage nicht: KI würde sich bloß schämen ob der Schlichtheit der Anmutung, die uns das fränkische Coldeye zum Beispiel über Instagram zuteilwerden lässt. Er muss einfach glauben, wir Rezipienten hätten just in diesem Moment einen Hirninfarkt nur knapp überlebt. Thematisch passend ein Ostergruß, in dem er ein mit seinem höchstens mittelschönen Konterfei verziertes Riesenosterei aus Schokolade verlost. Mit seiner unstillbaren Eitelkeit verhindert er jeden Anflug humoristischer Wahrnehmungsebene. So kennen wir ihn. Früher gab er vor, ein seriöser Volksvertreter sein zu wollen. Ich glaube, das hat er aufgegeben.
Eifriger hingegen erscheint mir Robert Habeck. Auch der nutzt Ostern. Obwohl man geflissentlich annehmen darf, dass sein Bezug zu den Märchenerzählungen der Ereignisse rund um den Karfreitag eher geringer religiöser Hinwendung sein dürfte, um uns doch mit einer Videobotschaft zu erreichen. Bei Robbie dauert sowas dann schier endlos quälende 10 Minuten. Habeck lässt uns bei seiner Suche nach einem Thema teilhaben. Sehr kumpelhaft duzt er uns, obwohl er Krawatte trägt. Im Fernsehbetrieb nennt man sowas Wort-Bildschere. Das Gesprochene will nicht recht zum Gezeigten passen. Selbstverständlich im YouTube-Kanal seines Ministeriums. In der Ansprache zu Ostern, der findige Volkstribun braucht wie gesagt Anlass, und sei der noch so schwindelig, benutzte Robert sehr oft das Wort ich. Und meinte sich. Er, Robert Habeck, plädierte für Waffenlieferungen an die Ukraine. Nun ist Robert Habeck Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, er verwaltet nicht die Finanzen, nicht den zuständigen Wehretat, noch führt er gleich die gesamte Regierung. Was ihm aber mal Jemand sagen sollte. Denn außer ich und seiner weitschweifig erzählten und sehr lange schon bekannten Meinung zum Ukraine-Krieg, sagte er nichts zu Ostern, nichts zur Wirtschaft, nichts zum Klimaschutz und, überraschend, nichts zu sich. Er sagte nur ich. Und das oft. 10 Minuten Ansprache ohne Inhalt ist an sich ja eine Kunst, aber keine, die wir, die das erst ertragen, dann auch noch bezahlen, gut finden müssen. Habt Ihr denn sonst nichts zu tun, Leute?
Nun wäre dieser Text eigentlich schon zu Ende. Doch habe ich mir einmal Gedanken gemacht, wenn man doch schon auf Steuerzahlerkosten all diese wirren Videoplattformen bedient, wer noch alles und zu welchem Anlass, sich in Zukunft und zu unserer fröhlicheren Unterhaltung, zu welchem Thema verbreiten sollte.
Einfach zum Beispiel wären die Auslassungen des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zum Thema ,,Treue in der Ehe im dunklen Weißen Haus". Als Vortragsort böte sich das erzbischöfliche missionarische Priesterseminar Redemptoris Mater in Bonn an. Denkt aber an die 200.000 Dollar. Bill sagt sonst nix.
Der schwäbische Metzgerssohn Ulrich Hoeneß hätte Erbauliches zu ,,Das perfekte Karriereende am Welttag des Zuhörens" im Schloss Vestenbergsgreuth zu bieten. Sein Honorar von 50 Euro würde er stiften. Davor hätte er aber ,,Bild" instruiert, es zu vermelden und die Summe verschwiegen. Angela Merkel, die darf hier nicht fehlen, nähme den aktuellen Bezug zur Cannabis-Diskussion und referiert über ,,Das Rauchen indischen Blumenrohrs in Wisent-Jeans nach dem Synchronschwimmen anlässlich der Sommer-Völker-Spartakiade vor den Toren Moskaus 1979". Geld flösse hier auf gute calvinistische Art natürlich nicht. Ihr Vorgänger Schröder unterhält uns über seine Sicht auf ,,Die aufrichtige Männer-Freundschaft zu Massenmördern unter vorzüglicher Berücksichtigung großer Geldzahlungen im Zusammenhang mit vorgeschobenen Argumenten hinsichtlich des Friedens und der Energieversorgung von Bund, Ländern und Gemeinden". Vortrag und Honorarauszahlung (s.Bill Clinton) in Nawalnys Todeszelle am Polarkreis inklusive. Wenn Merkel spricht, ist die EU-Kommissarin nicht weit. Flinten-Uschi von der Leyen wünscht sich schon lange ihren Vortrag über ,,Kinderlosigkeit im westlichen Zonenrandgebiet der Achtziger und Neunziger Jahre". Ihr Honorar wird in Ämtern ausgezahlt. So wird sie fürderhin ehrenhalber das Pro-Familia-Büro in Braunlage am Harz führen. Den Job hatte sie, als einen von wenigen noch nicht.
,,Ziege oder Kuh - das entscheidest Du" ist das Thema von Christian Lindner auf dem Junggesell*innenabschied seiner Ex Dagmar. Und Olaf, unser Kanzler Scholz, lässt sich das ehrabschneidende KI-Gemaule nicht gefallen und schmettert über ,,Der Vorteil emotionaler Eruption als Mensch und Mann" auf dem Rosenmontagszug in Finsterwalde, den er dort erstmals und alleine durchführen wird.
Sie sehen, liebe Leser, es gäbe ein Füllhorn guter und sehr ernst gemeinter Themen, die man den offensichtlich unterbeschäftigten Komödianten aus Politik und Gesellschaft ans Herz legen könnte.
Denn auf seriöse Art wird man den Gesellen wohl nicht mehr beikommen.
Versuchen wir es doch noch einmal?
Lieber Olaf, lieber Robert, lieber Christian,
Wir sind nicht blöd.
Und wenn wir blöd sind, dann nicht so, wie Ihr denkt.
Lasst die Spielereien auf unsere Kosten einfach mal sein. Meidet einmal für längere Zeit geschlossen die Öffentlichkeit. Arbeitet seriös und anhaltend an Themen und bereitet uns, dem Volk, ausgegorenes, bedachtes und wirksames Regieren. Bedient Euch Eurer Intelligenz und Bildung für das Land, auf das ihr einen Eid geschworen habt. Kümmert Euch um die Themen, die auf Eurer Visitenkarte stehen. Versucht es mal mit Erkenntnis und mit Fakten. Schmeißt die Hälfte Eurer Mitarbeiter raus, die Euch schon seit längerem auf die Eier gehen. Kleiner Ratschlag: es werden im weitesten Sinne ,,think-tank"-Figuren sein. Lest keine Zeitungen und online-Nachrichten. Kein Social Media. Geht nicht ans Telefon. Und sagt den Journalisten, sie müssten sich mal sinnvollere Jobs suchen, als in Talkshows den eigenen Quark zu versilbern.
Ok, lieber Leser, Sie merken: es hat keinen Sinn.

P.S.: Habeck: Du wirst nie Bundeskanzler. Hör auf, so zu tun!
P.P.S.: Markus. Echt jetzt!

11.04.24
*Kai Blasberg war 40 Jahre in den privaten Medien in Deutschland beschäftigt
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